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„Geliebter Vater, dein letztes Leben verbrachtest du auf den himmlischen Planeten. Und das Leben davor warst du, genau wie in diesem Leben, ein rechtschaffener König.“ Śantanu achtete genauestens auf jedes einzelne Wort seines Sohnes. Er hatte zwar keine Veranlassung zu befürchten, dass Devavrata diese Offenbarungen nicht noch einmal wiederholte, wenn er nachfragen würde, aber allein die Möglichkeit, dass sein Sohn nur ein einziges Mal das Geheimnis lüften könnte, trieb Śantanu zu einer Konzentriertheit, die der völligen Versenkung eines Yogis in seinen Mantra glich.

„Du warst ein vorbildlicher König. Du folgtest bereitwillig den Ratschlägen der Brāhmaṇas und hast Śrī Viṣṇu in seiner Form als Rāmacaṇdra verehrt. Du hast die vedischen Schriften studiert und deine Lehrer geachtet. Das Wohl deiner Bürger lag dir stets am Herzen, und wenn es galt, dein Königreich zu verteidigen, standest du an vorderster Front.
 
Die Opferrituale zu den Göttern waren dir ein willkommener Anlass, um ihnen deine Huldigungen darzubringen. Du warst gelehrt, großzügig, gerecht, höflich, ehrlich, diszipliniert, barmherzig und von einem angenehmen Wesen. Rein waren deine Gedanken und rein waren deine Handlungen. Die Menschen liebten dich und fühlten sich von dir beschützt und respektiert. Dein Name war Mahāviṣa und du warst berühmt in allen drei Welten.“
 
Unter gewöhnlichen Umständen hätte sich Śantanu einem solchen Maß an Lob mit Abwehr und Demut entgegen gestemmt, doch hatte er für solcherlei Tugenden keine Zeit. Ihn dürstete nach jedem weiteren Wort seines Sohnes, der in mancher Hinsicht ein Gott war und der Wissen in seiner Seele trug, das das Verständnis der Erdenbürger bei weitem überstieg.
 
„O Rājeśa, da du in deinem Leben als Mahārāja Mahāviṣa vorbildlich gehandelt hast, war ein Platz auf den himmlischen Planeten dein rechtmäßiges Erbe. Als du deinen irdischen Körper verlassen hattest, gewährten dir die Devas eine neue Hülle und hießen dich in ihren Reihen willkommen. Insbesondere Indra war über dein Kommen erfreut, hattest du doch viele yajñas zur Freude der Götter in vollkommener Weise ausgeführt. Er war dermaßen mit dir und deinen ausgedehnten Opferdarbringungen zufrieden, dass er dich persönlich den versammelten Heerscharen der himmlischen Wesen vorstellte.“
 
Devavrata verstummte, um seinem Vater die Möglichkeit zu geben, das Gehörte zu begreifen. Śantanu war begeistert von dem, was er hörte. Śantanu hätte nicht gedacht, wie aufregend es war, seine vergangenen Existenzen näher kennenzulernen. Natürlich hatte er schon unzählige Male über den Unterschied zwischen Körper und Seele gehört. Natürlich wusste er, dass der materielle Körper nur eine vergängliche Umhüllung für die ewige Seele ist. Er kannte all die gängigen Vergleiche und Metaphern über die Seele. Wie oft schon hatte er gehört, dass der Körper wie ein Fahrzeug ist, und die Seele wie ein Passagier; dass die Sinne wie Pferde sind und dass der scheinbar unbeteiligte Beifahrer eine Analogie für den Paramātmā darstellt. 
 
Natürlich wusste er, dass der sichtbare Körper ein Vehikel für die ewige Seele ist, um durch die materielle Welt zu reisen. Ahaṅkāra war dafür verantwortlich, dass man sich mit diesem zeitweiligen Fahrzeug identifiziert. Dieses Ego, dieses materielle Ego, wie seine Lehrer immer zu sagen pflegten, veranlasst die Seele, in dieser Welt in Bezug zu ihrem Körper zu handeln und beispielsweise zu denken, man sei ein Mann oder eine Frau oder ein König oder Bettler. Śantanu wusste all dies, doch trotzdem ließ er sich gern von Devavratas Ausflug in die Vergangenheit fesseln.
 
Es war faszinierend, mit welcher Leichtigkeit Devavrata eine andere Welt vor ihm ausbreitete. Śantanu war gespannt, wohin sich die Geschichte noch entwickeln würde. Bisher, so musste er zugeben, war alles, was er erfahren hatte, durchaus ehrenhaft. Aber er war sich sicher, dass er auch noch etwas weniger rühmlicheres hören würde. 
 
Śantanu deutete mit einer Geste an, dass er die Pause nicht brauchte und gern mehr hören würde. Devavrata tat ihm den Gefallen. „Wie du sicher aus den Überlieferungen weißt, ruft Indra sehr oft die Devas und andere Himmelsbewohner in seiner Versammlungshalle zusammen, um mit ihnen Feste zu feiern oder wichtige Angelegenheiten zu besprechen. Tausende von Apsaras tanzen, die Cāraṇas singen und die Gandharvas und Kimpuruṣas spielen die Instrumente. Viele Bewohner der himmlischen Welten kommen zu diesen Feiern, und nicht immer geht alles sehr tugendhaft zu.
 
Eines Tages nun waren alle großen Götter versammelt, selbst Brahmā, der vierköpfige Schöpfer aller Planeten, war gekommen. Die Luft war angefüllt vom lieblichen Duft feinen Räucherwerks, die Musik spielte dezent im Hintergrund, man hatte sich ehrfürchtig in der großen Halle aufgestellt und wartete gespannt darauf, den Anlass für das Kommen all der großen Seelen zu erfahren. 
 
Auch du und Gaṅgā waren anwesend. In ihrem seidenen Sari glich meine Mutter einem Meer aus Lotosblumen und selbst der Liebesgott, ja selbst Kāmadeva, musste ihre unvergleichliche Schönheit neidvoll anerkennen. Da erhob sich plötzlich ein Windstoß und ihr vorzügliches Gewand wurde ein wenig gelüftet. Alle schauten betreten zur Seite oder senkten den Kopf – alle, bis auf dich. Schamlos glitt dein Blick über ihren makellosen Körper. Dies erzürnte Brahmā so sehr, dass er dich auf die Erde verbannte, allerdings für lediglich ein Leben. Wenn du mich fragst, eine sehr milde Strafe, aber ich möchte die Beweggründe des ehrenwerten Brahmā natürlich nicht in Frage stellen. Ich könnte mir aber vorstellen, dass du in Indra einen starken Fürsprecher hattest.
 
Meine Mutter verließ daraufhin sofort die Versammlung und traf, wie du schon gehört hast, vor den Toren von Indras Palast auf die Vasus. Wie du weißt, erklärte sie sich bereit zu helfen und die Rolle der Mutter der acht Brüder anzunehmen. Sie hat dir schon berichtet, dass sie, als sie die Vasus fragte, wen sie denn als ihren Vater erwählt hätten, erfuhr, dass es einen frommen König namens Pratīpa gäbe, dem es bestimmt ist, bald einen Sohn mit Namen Śantanu zu bekommen. 
 
Dies erfreute meine Mutter, denn sie wusste, dass dieser Śantanu eine Inkarnation Mahāviṣas sein würde. Daraufhin konnte Gaṅgā den Vasus versichern, dass sie schon bald auf der Erde erscheinen werde, um den Fluch Vasiṣṭhas zu beenden. Und genau das tat sie auch, mein lieber Vater. Dies ist dir bereits bekannt.“
 
Devavrata verstummte. Śantanu schossen verschiedene Gedanken durch den Kopf. Er musste erst einmal alles ordnen und betrachten. So war das also gewesen! Deshalb hatte sich diese ausnehmend schöne Frau so schnell bereit erklärt, seine Gattin zu werden. „Sie hat sich aber viel Zeit gelassen, bis sie zufällig meinen Weg kreuzte“, monierte Śantanu, wobei er das Wort „zufällig“ besonders betonte. Devavrata blieb nicht verborgen, dass in Śantanus Stimme eine gewisse Enttäuschung mitschwang.
 
„Nun, wie du weißt“, fuhr Devavrata ungerührt fort, „ist unsere Zeitrechung eine etwas andere als auf der Erde. Ein vollständiger Tag bei uns entspricht einigen hundert Jahren bei euch. Für uns war es also nicht sehr lange.“
 
Śantanu spürte einen Stich im Herzen, seine Gedanken wanderten überraschend abrupt von Gaṅgā zu seinem Sohn. Dass Devavrata das Wort „uns“ noch immer nicht in Bezug auf die Menschen, sondern ausschließlich in Bezug auf die Himmelsbewohner benutzte, war ihm bisher nie in dieser Deutlichkeit aufgefallen. Śantanu dämmerte, dass Devavrata nie ein normaler Mensch sein würde können, auch wenn er noch Tausende von Jahren auf der Erde leben müsste. Er würde sich immer wie jemand fühlen, der zwar beschützt und versorgt ist, der aber trotzdem nicht in seinem eigentlichen Zuhause lebt.
 
Dem alten Krieger wurde außerdem bewusst, dass er jetzt Devavrata und vor allem Gaṅgā viel besser verstand. Wie hätte er sie auch verstehen können, ohne ihre früheren Leben zu kennen! Wie sollte überhaupt irgendjemand einen anderen Menschen verstehen können, wenn er nicht dessen vergangene Leben kennt? Dieses Leben zu sehen, nur dieses eine Leben zu sehen, bedeutet schließlich nicht mehr, als einen winzigen Teil der Existenz eines Menschen zu kennen. Nie hätte er Gaṅgā ihre sieben Morde vergeben können, wenn er nicht die Geschichte der Vasus vernommen hätte.
 
Und jetzt erinnerte sich Śantanu auch an einen Moment seiner Kindheit, den er längst vergessen glaubte. „Woran denkst du?“, fragte Devavrata. Śantanu antwortete erst ein wenig schleppend, als müsse er die Erinnerung erst noch ausgraben, wurde aber nach wenigen Sätzen sicherer. „Ich denke an den Guru meines Vaters. Er hat mich etwas gelehrt, dass mir sehr wichtig ist und das ich heute in einem neuen Licht sehe. Ich muss damals wohl nicht älter als fünf oder sechs Jahre alt gewesen sein, als ich den ältesten und weisesten Berater meines Vaters, den berühmten Śastragupta, bat, mir das Gesetz des saṁsāra zu erklären. ‚Soso’, hatte der Brāhmaṇa in seiner freundlichen, sonoren Stimme seine Antwort begonnen, ‚du willst also das Gesetz der Wanderung der Seelen durch die Körper verstehen. Gut Rājakumāra, dann höre genau zu.’
 
Der Weise hieß mich zu einem Fenster zu gehen und den Blick nicht von diesem Fenster zu wenden. ‚Wenn du einen Vogel erblickst, dann komm zu mir zurück’, befahl er. Wahrscheinlich stand ich nur ein paar Minuten vor diesem Fenster, aber mir kam es wie eine Ewigkeit vor. Wollte mir dieser Gelehrte etwa damit sagen, dass ich in meinem letzten Leben ein Vogel war? Oder dass ich gar im nächsten Leben einer sein werde?
 
Endlich! Irgendein Vogel flatterte am Fenster vorbei. ‚Ich habe einen gesehen! Ich habe einen Vogel gesehen!’, rief ich laut und raste triumphierend zu Śastragupta zurück, der inzwischen in einem alten Sessel Platz genommen hatte, der unter einer riesigen Freske des Mondgottes an der Wand stand. 
 
‚So, kleiner Prinz’, und er lächelte gütig durch seinen zersausten, grauen Bart, ‚war es ein schöner Vogel?’ Ehrlich gesagt, ich hatte keine Ahnung mehr, wie der Vogel ausgesehen hatte, aber ich nickte einfach mit dem Kopf. ‚Und jetzt Kacorimuka, bist du nicht traurig?’ Kacorimuka war sein Spitzname für mich“, erklärte Śantanu schnell seinem Sohn, der wie ein Pferd heftig mit dem Kopf nickte, als würde er sagen wollen, dass ihn dieser Name nicht im geringsten überraschen würde. Śantanus Schwäche für diese gefüllten Teigtaschen war im ganzen Königreich bekannt.
 
„Also, er schaute mich mit seinen alten Augen an und fragte mich, ob ich traurig sei. 
‚Warum sollte ich traurig sein?’ fragte ich verblüfft. 
‚Weil der schöne Vogel tot ist!’ antwortete er. ‚Oder denkst du, dass er noch lebt?’ 
Ich war völlig verwirrt. Ich glaube, ich stammelte irgendetwas wie ‚ich weiß nicht’. Er wies mir einen Platz zu seinen Füßen zu und ich setzte mich im Lotossitz vor ihm nieder. 
‚Nun, kleiner Mann, denke genau nach, bevor du mir antwortest. Lebte der Vogel bereits, bevor du ihn gesehen hast, wie er am Fenster vorbei flog?’ 
‚Ja.’
‚Bist du sicher? Du hast ihn doch vorher gar nicht gesehen!’
‚Ich bin mir sicher.’
‚Warum?’
‚Weil... Ich bin mir sicher!’
‚Nun denke ein zweites Mal genau nach. Lebte der Vogel auch weiter, als du ihn nicht mehr sahst?’
‚Ja.’
‚Bist du sicher? Du hast ihn doch nachher gar nicht mehr gesehen!’
‚Ich bin mir sicher.’
‚Warum?’
‚Ich… ich bin mir sicher!’
 
Er schien zufrieden mit meinen Antworten. ‚Doch wenn dies alles so ist, Sohn des Pratīpa, warum sollte man dann denken, dass die Seele Geburt nimmt und dass sie stirbt? Warum sollte die Seele erst dann entstehen, wenn sie einen für uns sichtbaren Körper annimmt und warum sollte sie dann wieder vergehen, wenn sie unserer begrenzten Sicht entflohen ist? Warum glauben das manche Menschen?’
 
O Devavrata, anscheinend sah er in diesem Moment in mir einen würdigen Schüler. Er war bereit, mich zu unterweisen. Ich erinnere mich noch heute an jedes einzelne Wort, auch wenn ich damals nicht alles verstand. So fuhr er dann fort.
 
‚So wie der Vogel schon existierte, bevor du ihn in dem kleinen Ausschnitt in der Mauer gesehen hast, und so, wie er auch noch weiter lebt, wenn er deinem Gesichtskreis entschwunden ist, so gibt es für die Seele weder Geburt noch Tod. Da sie ungeboren ist, hört sie niemals auf zu sein. Sie ist ewig, urerst, immerwährend und unvergänglich. Sie wird nicht zerstört, wenn der irdische Körper zerfällt.’
 
Ich hatte begriffen. Von da an wusste ich, dass ich mein Wissen nicht nur auf das gründen sollte, was ich sehe. Meine Augen sind fehlbar, das war klar. Ohne die Hilfe der Veden und der selbstverwirklichten Heiligen, die mir dieses kostbare Wissen erklären müssen, konnte ich in dieser Welt leicht irregeführt werden.
 
Und Guptaji sprach weiter zu mir. ‚Die Seele kannst du nicht mit Händen greifen. Du kannst sie nicht verbrennen, zerstückeln, mit Wasser benetzen oder mit Feuer austrocknen. Sie ist die ewige Lebenskraft, der Funke, der dich treibt, der dich glücklich oder traurig sein lässt; der sich sehnt, zurück zu gehen, nach Hause, nach Vaikuṇṭha. Die Seele ist reine Energie. Die Veden sagen:
 
Kontrolle dieser Welt und ihr Genuss,
das ist der Seele stetes Streben,
doch erntet sie meist Schläge und Verdruss,
erniedrigt sich, anstatt sich zu erheben.
 
Vergänglich ist des Körpers Sein,
entsteht, besteht, vergeht.
So war es und so wird es immer sein,
so lang’ die Welt sich um sich selber dreht.
 
Selbst Agni kann den ātmān nicht verbrennen,
Varuṇas Wasser keine Perlen formen, 
auch Indras Winde ihn nicht kennen,
noch Sklave ist von Yamarājas Normen.
 
Keine Waffe je, in allen Welten,
kann ihn töten, ihn berühren.
In dieser Welt kann man ihn weder schelten
für sein Tun, noch kann er selber handelnd sich erküren.
 
Der weise Seher kennt des ātmān Pfad,
zum nächsten Körper tritt er an die Reise.
So, wie in diesem Leben schon er’s tat,
vom Knaben hin zum Manne, hin zum Greise.
 
Du bist ātmān, für immer voller Wissen,
für immer voller Freude, für immer hier im Sein.
Wenn du nur einmal hast die Wahrheit so umrissen,
dann wird dein Leben stets erfolgreich sein.’
 
 
So hatte einst diese reine Seele zu mir gesprochen. Ich habe seine Worte nie vergessen, denn an diesem Tage erschloss sich mir zum ersten Mal das Gefühl, dass es nicht nur jenseits des Palastes eine große Welt gibt, die ich erforschen wollte, sondern dass es jenseits dieser großen Welt noch eine weitere Welt gibt, die noch viel größer und noch viel spannender ist.“
 
Devavrata hatte andächtig der Erzählung seines Vaters gelauscht. Er wollte gerade eine Frage stellen, als des Königs Erinnerungen sich aufs Neue Bahn brachen. „Warte, Deva, du kannst gleich deine Frage stellen. Aber mir ist noch etwas eingefallen. Meine Neugier war nämlich noch nicht gestillt und so fragte ich den Sādhu: ‚Mein Meister, warum habe ich überhaupt eine Seele?’ Ich kam mir furchtbar schlau vor mit meiner Frage. Und er entgegnete ebenso kurz wie prägnant: ‚Falsch, ganz falsch, mein Sohn! Du hast keine Seele – du bist die Seele. Verstehst du? Du bist die Seele, und du hast einen Körper.’ 
 
Er starrte mich an und ich trat unsicher von einem Bein aufs andere. Ich wollte eigentlich nur etwas über die Seelen erfahren, die durch die Körper wandern. Ich hatte gehofft, eine spannende Geschichte zu hören, wie die von unserem großen Urahnen Bhārata, der König war, dann Reh wurde und dann wieder Mensch. Ich hatte nicht mit so viel Philosophie gerechnet.
 
Śastragupta erkannte meine Verlegenheit und bemerkte abschließend mit einem verständnisvollen Lächeln: ‚Die Frage kann also nicht lauten, warum du eine Seele hast. Die eigentliche Frage lautet, warum du einen Körper hast. Aber das besprechen wir ein anderes Mal, Sohn eines großen Königs.’
 
Ja, so war das damals. Weitere Fragen habe ich mir an diesem Tage dann doch lieber verkniffen.“ Śantanu lächelte in sich hinein und schaute gedankenverloren in die Bäume, als würde er sich dort noch einmal als kleines Kind stehen sehen. Devavrata nickte wissend und wartete noch, bevor er mit seiner eigenen Geschichte fortfuhr, vielleicht wollte Śantanu noch etwas hinzufügen. 
 
„Nein, ich bin am Ende angelangt“, antwortete Śantanu und es schien, als würde er diesmal die Gedanken seines Gegenübers erraten. „Aber mir scheint, du hast eine Frage, o bester aller Prinzen.“
 
Devavrata nickte nachdenklich. „Die Worte deines Gurus waren weise und angenehm für jedermanns Ohr. Aber wo ist diese große Seele, ich würde ihn gern sehen und mich mit ihm über die Absolute Wahrheit austauschen. Ich kann mich nicht erinnern, ihn hier am Hofe jemals getroffen zu haben. Hat er seinen Körper schon aufgegeben? Oder hat er sich vielleicht in die Wälder zurückgezogen? 
 
Er muss schon zu deinen Kindertagen sehr alt gewesen sein. Weise Menschen heißen das Alter als Vorboten des Todes willkommen und bereiten sich gewissenhaft auf den wichtigsten Augenblick im Leben vor – den Tod. Hat er sich deswegen von den gewöhnlichen Menschen getrennt? Was ist aus diesem Brāhmaṇa geworden, der seinen Namen zu Recht trägt, da er in die tiefsten Geheimnisse der Schriften vorgedrungen ist?“

 

 
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