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Matsyarāja registrierte sehr wohl den Wandel im Antlitz seines Gastes. Die majestätische Entschlossenheit, die sich bis zu diesem Moment noch harmonisch mit einer uneitlen Überlegenheit verbunden hatte, wich langsam einer Unruhe, einer Ungeduld, einer Wolke des Zorns, die sich über dem  Kopf seines hohen Besuches zu bilden schien.
Bevor die Situation eskalierte, fügte der Fischer eilig hinzu: „O tugendhafter Devavrata, seid versichert, dass mein Zweifel in keiner Weise euren Schwur betrifft. Ihr werdet zu eurem Wort stehen, dies ist so sicher, wie die Silbe om alle Wahrheit der Schöpfung in sich trägt. Euer edler Charakter ist sprichwörtlich und das Volk, das euch an seiner Seite weiß, ist wahrhaft vom Glück begünstigt. Nur Śrī Viṣṇu selbst wird in der Lage sein, eine Armee zu besiegen, die ihr befehligt.
 
Nein, über eure vorbildliche Entschlossenheit mache ich mir keine Gedanken. So wie Śrī Rāma sein Gelübde der Verbannung gegen alle Widerstände zum Ende führte, um das Ansehen seines Vaters zu steigern, so wird auch euer Gelübde niemals die Welt der Lüge betreten. Doch was ist mit euren Söhnen? Werden nicht eure Nachkommen die Regierungsverantwortung einfordern? Sie könnten ins Feld führen, dass sie die rechtmäßigen Erben des Erstgeborenen sind. Bruderzwist kann selbst an altehrwürdigen Königshäusern auftreten. Der Streit um königliche Weihen kann selbst die edelsten Familien entzweien. Hastināpura sollte von diesem Schicksal verschont bleiben, doch wer kann vorhersagen, wie sich eure Söhne verhalten werden?
 
Auch wenn ihr selbst ein unerschöpfliches Reservoir göttlicher Eigenschaften seid, auch wenn ihr nichts unversucht lassen werdet, aus euren Söhnen aufrechte, respektvolle, tapfere, ehrliche, kampfesmutige und großzügige Kṣatriyas zu machen, gibt es doch trotzdem keine Garantien, dass eure Sprösslinge all eure guten Ratschläge annehmen werden. 
 
Jede Seele befindet sich auf ihrem eigenständigen, unabhängigen und einzigartigen Weg durch dieses Universum und hat schon unzählige Geburten und Tode gesehen. Außer dem Paramātmā, der uns Leben für Leben durch unsere Leben begleitet, kennt niemand das Karma eines Lebewesens. Niemand kann sich für die Entwicklung seiner Kinder verbürgen. Auf die Wünsche, Neigungen und Abneigungen eines Kindes haben die Eltern nur zu einem Teil Einfluss. 
 
Die gelehrten Weisen haben erklärt, dass nur ein Viertel des Weges einer Seele von den Eltern beeinflusst werden kann. Ein weiteres Viertel steuern die Freunde, Bekannten und Nachbarn der Seele bei. Ein weiteres Viertel meldet sich aus dem vergangenen Karma des ātmās zu Wort. Die Devas haben die Aufgabe, dieses Feld zu bereiten, damit die Samen, Knospen und Blüten aus vielen letzten Leben zur Ernte in diesem Leben bereit stehen. 
 
Und schließlich hat die Seele eigene Wünsche, eigene Vorstellungen und ihre eigenes Band zur höchsten Seele. Diese Freiheit der Seele lässt jedes Wesen letztendlich bestimmen, ob sie die Kräfte des Lichts oder der Dunkelheit wählt. Niemand kann diese Unabhängigkeit aufheben – kein König, kein Brāhmaṇa, kein Yogi oder Deva, nicht einmal Viṣṇu wird dies tun. Diese Freiheit der Seele, sich das Objekt ihrer Liebe selbst zu wählen, bildet das letzte Viertel ihrer Bestimmung. O göttlicher Prinz, der du der Sohn eines der größten Monarchen aller Zeiten bist, deshalb kann deine Garantie nur dein eigenes Dasein umfassen, und nicht die Handlungen deiner Söhne. 
 
Doch wenn dem so ist, wie soll ich dann sicher sein, dass der Sohn meiner unvergleichlichen Tochter tatsächlich die königlichen Insignien tragen wird? Wer sollte mir dies garantieren können? Dies ist mein Zweifel, o Liebling der Götter. Ich bin euch schon jetzt für eure Gnade und Zuneigung zu ewiglichem Dank verpflichtet, denn ihr adelt meine unwichtige Behausung mit eurer gütigen Anwesenheit. Doch nur wenn ihr mir auch diesen Zweifel zerstreuen könnt, steht einer Vermählung Satyavatīs und Mahārāja Śantanus nichts mehr entgegen.“
 
Devavrata war tief beeindruckt. Dieser Fischer sprach wie ein gelehrter Brāhmaṇa. Bṛhaspati hätte diese Argumente auch nicht besser zusammenfassen können. „Ich muss zugeben“, sprach der Jüngling zu sich, „er hat mit allem Recht. Niemand kann die Wege der anderen Lebewesen bestimmen, selbst als Vater kann ich nur begleiten, führen, mildern und beschützen. Ich kann nur mit gutem Vorbild voranschreiten und hoffen, dass sich meine Söhne an den göttlichen Energien mehr erfreuen als an denen, die in Verwirrung stürzen. Ich muss auf die Güte Nārāyaṇas und den Beistand der Devas vertrauen, denn ich weiß nicht, wen die Götter mir als Sohn anvertrauen werden. 
 
Es ist wahr – ich allein kann nicht bewirken, dass sie sich für die Kräfte des Lichts entscheiden. Selbst in einer Dynastie, wie der Rāmacandras, schlug das Karma schon unverständliche Kapriolen. Musste Mahāraja Sagara nicht unter einem Sohn leiden, der sogar wehrlose Kleinkinder mordete? Der sie höhnisch grinsend in den Fluten der Sarayū ertränkte und den König Sagara sogar aus dem Reich verbannen musste? Dieser Asamañja wiederum hatte einen Sohn, der das ganze Gegenteil war und den das Volk heiß und innig liebte. Wahrlich – die Wege Bhagavāns sind verschlungen und nur manchmal offenbart.“
 
Und es war in diesem Moment, dass Devavrata einen Entschluss fasste, der so bedeutungsschwanger war, dass nicht nur bald alle Menschen, ja alle Wesen in den drei Welten von ihm erfahren sollten, sondern dass noch für Jahrtausende nach seiner Verkündigung die Menschen darüber sprachen und schrieben.
 
Es war in diesem Moment, dass der kühne Prinz sein Leben in die Hände Śrī Viṣṇus legte, der auch als Bhaktavatsala bekannt ist, als der ewigliche Freund seiner Geweihten. Es war in diesem Moment, dass er sein varṇa (und damit zwangsläufig auch seinen āśrama) herausforderte, dass er seine ganze Existenz als Kṣatriya und Königssohn, als Vater und weiser Ratgeber in Frage stellte. Es war in diesem Moment, dass er sich über die Grenzen seines Körpers erhob und den Drängen der Sinne erfolgreich seine Entschlossenheit und Vaterliebe entgegen hielt.
 
Er holte tief Luft, schaute seinem Gegenüber triumphierend in die Augen und sprach lächelnd die folgenden Worte: „O Matsyarāja, deine Worte sind einem Bürger dieses Königreiches mehr als angemessen. Ich verstehe, dass du dich in deinem Leben bisher nicht nur mit der Jagd nach Fischen beschäftigt hast. Deine Weisheit scheint mir an diesem Ort verschwendet, doch werden wir uns darüber später unterhalten. 
 
Ich will dir deine Zweifel ein für allemal zerstreuen. So vernimm nun hier und heute meinen zweiten Schwur: solange ich auf dieser Erde weile, soll niemals eine Frau an meiner Seite liegen! Kein Erbe wird meine Tafel je bereichern. Kein Sohn, gezeugt aus meinen Lenden, wird je Anspruch erheben auf den Thron Hastināpuras. Ich werde dem Drang der Vereinigung mit einer Frau Einhalt gebieten und folge damit den Fußspuren großer Weiser wie den Vier Kumāras und Nārada Muni. 
 
Fürwahr, Varuṇa, der deine Insel umgibt, soll mein Zeuge sein; das Feuer, das in deinem Ofen glimmt, sei mein Zeuge; Indra, der dir Regen sendet, sei mein Zeuge; die vier Himmelsrichtungen, die gütige Sonne und der labende Mond, sie alle seien meine Zeugen; Vāyu, der dir die Luft zum Atmen reicht; meine Gurus Bṛhaspati und Siddhantarāja; und schließlich die großmütige Gaṅgā, meine geliebte Mutter, sie alle sollen Zeuge meines Gelübdes sein.“
 
Noch während Matsyarāja mühsam nach Luft rang und sich fragte, ob die Worte des Prinzen tatsächlich sein Ohr geküsst hatten oder er nur einer bösartigen, akustischen Einbildung erlegen war, erklangen Harfen, Trompeten und Trommeln am Himmel. Blumen regneten ohne Unterlass auf den See, der im Nu wie eine jubelnde Frühlingswiese wirkte. Allerlei Stimmen mischten sich zu einem Gewirr aus Klängen und Rufen und immer wieder erschollen die Worte „bhīṣma, bhīṣma! – was für ein schreckliches Gelübde, o Viṣṇu, was für ein schreckliches Gelübde!“.
 
Ein leichtes Beben schien erst den Himmel, dann den See und dann die Hütte des Fischers zu erschüttern. Das Feuer im Ofen flackerte auf, der Wind öffnete erst die Tür und blies dann Berge von Blumen in die Heimstatt Matsyarājas. Ein kurzer Regenschauer zwang die vor der Hütte wirbelnden Blumen auf die Erde zurück und spülte viele von ihnen zurück in den See. Rund um die Insel bildeten sie am Ufer der Insel ein dichtes Spalier, als wollten sie die vier Menschen mit einer riesigen Girlande aus blauen, roten, gelben, grünen, violetten und schwarzen Blüten bekränzen. 
 
Noch immer hallten alle Himmelsrichtungen von den Klängen der Himmelsbewohner wider und nahmen an Stärke sogar noch weiter zu. Anscheinend beteiligten sich immer mehr der Unsterblichen an den Gesängen, dem Tanz der Apsaras, deren schöne Körper sich jetzt deutlich am Himmel abzeichneten, der Musik der Gandharvas und Kinnaras und den Blumenschauern. 
 
Ein leuchtender Regenbogen beschirmte großzügig die Szenerie und wirkte, als wolle er zwischen Erdlingen und Himmelsbewohnern eine Brücke bauen. Hinter dem gemeinschaftlichen Kunstwerk von Indra und Surya tauchte die tugendhafte Gaṅgā auf. Lächelnd und segnend warf sie ihren betörenden Blick über alle Anwesenden. Sie erhob die rechte Hand und legte sich den Regenbogen wie einen Schal um ihren Hals, bevor sie den Blicken aller wieder entschwand.
 
Ein erneuter, diesmal wesentlich heftigerer Windstoß kam auf. Mit Leichtigkeit trug er das Dach der Behausung der Fischersfamilie davon, das sich wie ein Kreisel drehte und sich in Richtung des angrenzenden Berges verabschiedete. Kaum waren die Menschen ihres dürftigen Schutzes beraubt, erstrahlte die Sonne zu neuem Glanz und tauchte den ganzen See in ein freundliches, goldenes Licht.
 
Auch die Blumenschauer nahmen an Dichte wieder zu. Da sich die vier Menschen in der Hütte noch immer nicht bewegten, legten sich die Blüten heimelnd auf Kopf, Schultern und Arme der Anwesenden. Als ob kleine Kinder während ihres Spiels auf eine Idee gekommen waren, so wandelte sich plötzlich die Farbe aller Blumen, die vom Himmel schwebten, in strahlendes weiß, so dass Devavrata, Satyavatī, Sunil und Matsyarāja eingeschneiten Zedern auf dem Berg Meru glichen.
 
Und aufs Neue ertönten Rufe vom Himmel: „O was für ein schreckliches Gelübde! Bhīṣma, bhīṣma! Von nun an soll dieser edle Krieger, der dieses schreckliche Gelübde auf sich nahm, als Bhīṣma bekannt sein! Alle Ehre sei Gaṅgās Sohn! Alle Ehre sei Bhīṣma!“ Und als ob sich die Götter noch einen letzten Schabernack mit Devavrata leisten wollten, mit dem Jüngling, den sie für einige Jahre an die Erdlinge verloren hatten und den sie alle auf Svargaloka vermissten, wandelten die sanft zur Erde schwingenden Blumen nicht nur ihre Farbe von weiß nach purpurrot, sondern auch ihre runde, große Form in eine kleine, längliche.
 
Devavrata, der fortan Bhīṣma heißen sollte, schaute zum Himmel und rief teils belustigt, teils beschämt: „Es ist gut! Es reicht jetzt. Der Blumen sind genug gesendet, nun lasst uns ruhig nach Hause gehen.“ Die vier Menschenzedern glichen inzwischen vier großen süßen, weißen Sandeshbergen, die mit Safran-Streuseln übersät waren. 
 
Als ob sie einem geheimen Kommando folgten, begannen die Eingeschneiten sich zu schütteln, so dass die weißen Blüten und die roten Streusel von ihnen abfielen. Jeder musste beim Anblick der anderen drei rot-bestreuselten Berge lachen und so breitete sich allgemeine Heiterkeit aus. Sunil nahm dankend den Dienst Satyavatīs an, die fleißig alle Blumen von seinem Rücken klopfte, und Matsyarāja half in gleicher Weise Bhīṣma. 
 
Zur Überraschung aller, zumindest der drei reinen Erdlinge, fielen die rot-weißen Flocken aber nicht auf die Erde, sondern formierten sich zu zwei Gruppen, die plötzlich begannen, um die vier Menschen zu kreisen. Anscheinend verfolgte die eine Gruppe die andere, da die Geschwindigkeit von beiden immer mehr zunahm. Erst als Bhīṣma erneut zum Himmel schaute und kaum hörbar etwas murmelte, hörte der Spuk auf, und alle Blumen, Blätter und anderen Gebilde fielen augenblicklich zu Boden. Dort lösten sie sich alle auf, wie ein Tropfen Wasser auf einem heißen Stein.
 
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